Das Berufsbild des Finanzberaters muss gesetzlich geregelt werden
 
Mainz, 30.08.2010 — Verbraucher sind den Banken in den meisten Fällen schutzlos ausgeliefert. Das verordnete Beratungsprotokoll und der Beipackzettel auf freiwilliger Basis haben daran nichts geändert. Der Finanzplaner Deutschland e. V. fordert deshalb ein gesetzlich definiertes Berufsbild für unabhängige Finanzberater.
 
Ich bin von den Banken enttäuscht“, zitiert die Süddeutsche Zeitung in der Überschrift eines großen Interviews am 23.12.2009 Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Und weiter sagt die Ministerin in Richtung Banken: „Falschberatung ist ein Massenproblem und diese Missstände müssen beendet werden!“ Am Ende des Gesprächs regt die SZ an: „Es wäre doch gut, wenn die Banken Konkurrenz bekommen – zum Beispiel durch fähige unabhängige Berater, die gegen Honorar beraten.“ Darauf Aigner: „Ja, aber wir müssen bei diesen Beratern auf die Qualität achten. Das Problem ist: Derzeit kann sich jeder Finanzberater nennen. Ich möchte gesetzlich festschreiben, dass die Leute künftig eine Qualifikation nachweisen und sich registrieren müssen. Außerdem sollen sie eine Haftpflichtversicherung abschließen – damit sie Schäden ersetzen können, die sie Kunden verursachen. Für den unabhängigen Honorarberater sollte ein gesetzliches Berufsbild geschaffen werden, so wie für Anwälte und Steuerberater.“
 

Nichts geht voran
„Wir stellen fest“, sagt Peter Edinger, Vorstandsmitglied im Finanzplaner Deutschland e. V.: „Verbraucherschutzministerin Aigner hat die Lage vollkommen richtig erfasst. Und wir sind zudem mit ihr einer Meinung, wenn es um die Notwendigkeit des gesetzlichen Festschreibens des Berufsbildes von unabhängigen Finanzberatern geht. Und wir möchten sie auch gerne beim Wort nehmen. Jedoch: Seit dem Interview vor acht Monaten hat sich in dieser Angelegenheit nichts vorwärts bewegt.“
 
Genauer gesagt: Es ging nicht nur nichts voran, sondern die Lage der Verbraucher in den als Beratungen getarnten Verkaufsgesprächen mit den Banken hat sich seit dem vergangenen Jahr eher noch verschlimmert, wie ein Wiederholungstest der Zeitschrift Finanztest erst unlängst ergab.
 

Zweimal B-negativ: B-negativ 1 – Das Beratungsprotokoll
Vollkommen untätig ist der Gesetzgeber allerdings nicht geblieben: Im § 34 Absatz 2a des Wertpapierhandelsgesetzes, das zum 1.1.2010 in Kraft trat, ist vorgesehen, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen müssen. Das „Beratungsprotokoll“ war geboren und sollte von nun an Verbraucher vor den Banken schützen, indem der Bankangestellte gemäß gesetzlicher Vorgaben den Verlauf des Gespräches notierte.
Doch nach den bisherigen praktischen Erfahrungen muss das bittere Fazit gezogen werden: Das Beratungsprotokoll ist durchgefallen; es ist für den Verbraucherschutz ungeeignet.
 

Von den Banken unterlaufen
Der Grund dafür: Die Banken nutzten die wachsweichen Bestimmungen des Gesetzes und fehlende Sanktionen weidlich aus und formulierten Protokollvorlagen in ihrem Sinne vor. Zudem fanden darin die Anlageziele der Kunden, trotz Vorschrift, keine Berücksichtigung und auch Begründungen für die Anlageempfehlungen der Banken fehlten mehr als einmal.
 
Obendrein kam es einerseits vor, dass die Protokollpflicht oder die Herausgabe des Protokolls durch die Banken gänzlich verweigert wurde, andererseits verlangten Bankangestellte von den Kunden eine Unterschrift unter das Protokoll, obwohl das Gesetz dies nicht vorsieht.
 
Wer das Protokoll unterschreibt, läuft Gefahr, seine Rechtsposition zu verschlechtern und Regressansprüche zu verlieren. Beispiel: Ein Kunde, der nicht verstanden hat, dass Risikoklasse 5 die Klasse mit dem größten Risiko ist, sich aber vom Bankangestellten schon zu einer Unterschrift unter das Protokoll hat drängen lassen, wird im Verlustfall vor Gericht kaum mehr eine Chance haben, seinen Schaden ersetzt zu bekommen.
 

Nur scheinbar sicher
„Ob ein Beratungsprotokoll überhaupt eine substanzielle Verbesserung für den Verbraucher im Umgang mit den Banken bringt, ist nach unserem Dafürhalten zweifelhaft“, stellt Peter Edinger vom Finanzplaner Deutschland e. V. fest. „Wir sind vielmehr der Meinung, ein solches Protokoll suggeriert eine (Dokumentations-)Sicherheit, die im Detail nie erreicht werden kann.“
Und wenn obendrein der Protokollführer Bank alle Gesetzesschwächen für seine Zwecke der Gewinnmaximierung ausnutzen kann, ohne dass ihm dafür Sanktionen drohen, dann wird der ganze Vorgang im Grunde zur Farce – zumindest stellt sich die Frage nach dem Sinn des Protokolls für den Verbraucher.
 

Wenn schon, denn schon
„Die Mitglieder des Finanzplaner Deutschland e. V. wollen sich, trotz ihrer erheblichen Zweifel am Sinn der Protokollpflicht, aber nicht auf eine reine Verweigerungsposition zurückziehen“, führt Peter Edinger aus. „Wenn man jedoch ein solches Gesetz auflegt, dann darf es nicht bei ‚gut gemeint, aber schlecht gemacht’ bleiben, sondern es müssen – standardisiert – folgende wichtige Inhalte im Protokoll erscheinen:
·        die Ziele des Kunden,
·        die Risikobereitschaft des Kunden, in qualifizierter Form analysiert,
·        die Unterschrift des Kunden unter das Ergebnis des gemeinsamen Messens und Erfassens seiner Risikobereitschaft, das Antwort auf die Frage gegeben hat ‚Welches Risiko ist der Kunde bereit zu tragen?’,
·        begründete Empfehlungen auf der Basis der Ziele und der Risikodefinition.“
 

Nur ein Placebo
Der Finanzplaner Deutschland e. V. ist mit Verbraucherschutzministerin Aigner vollkommen einer Meinung, dass ein gesetzliches Berufsbild für unabhängige Finanzberater – wie es für Anwälte und Steuerberater längst existiert – dringend notwendig ist. Nur durch das nachhaltige Gewährleisten von Qualität und Unabhängigkeit in der Finanzberatung (Finanzberater als Kammerberuf!) wird der Boden für effektiven Verbraucherschutz bereitet. Und dann sind auch Placebo-Gesetze wie das zum Beratungsprotokoll überflüssig.
Zwar nur eine Randnotiz, aber dennoch bezeichnend: Kein Rechtsanwalt, kein Steuerberater ist zum Führen eines Protokolls gesetzlich verpflichtet.
 

B-negativ 2 – Der Beipackzettel
Im Sommer 2009 forderte Verbraucherschutzministerin Aigner die Finanzwirtschaft zum ersten Mal auf, einheitliche Informationsblätter für die angebotenen Produkte zu entwickeln – auf freiwilliger Basis. Im Sommer 2010 stellen unabhängige Experten fest: Der Versuch, mit dieser Maßnahme eine Verbesserung für die Verbraucher zu erreichen, muss als gescheitert bezeichnet werden.
 
„Freiwillig“ haben die Banken auf den Beipackzetteln mehr Werbung für das Produkt gemacht als umfassend informiert, positive Dinge nach vorne gerückt, Risiken unterdrückt. Die Angaben waren in vielen Fällen nicht verständlich, die Begriffe beliebig gewählt – und weil jede Bank „freiwillig“ ihren individuell strukturierten Beipackzettel entwickelt hat, sind die Produkte untereinander nicht vergleichbar.
 
Zeit für einen gesetzlichen Standard, erkannten Finanzminister Schäuble und Verbraucherschutzministerin Aigner schon im Mai – ein Gesetz, das im Übrigen immer noch auf sich warten lässt, das aber schon im Planungsstadium von Verbraucherschützern als zu lax und „dem Missbrauch Tür und Tor“ öffnend klassifiziert wurde.
 

Einzig ein Systemwechsel hilft
„Selbst wenn gesetzlich einheitliche Standards für den Beipackzettel entwickelt und von den Banken sogar eingehalten würden“, ist sich Peter Edinger sicher, „am grundsätzlichen Dilemma des Verbrauchers würden sie nichts ändern. Denn wer direkt zur Bank geht, bekommt es mit einem Verkäufer zu tun, der unter dem Deckmantel der Beratung darauf aus sein muss, für sein Institut den größtmöglichen Profit herauszuholen. Dabei bleiben die Interessen des Verbrauchers zwangsläufig auf der Strecke.“
 
Die Situation ist vergleichbar mit einem Patienten, der keinen Arzt zur Diagnose und Beratung mehr aufsuchen könnte, sondern sich ein Medikament direkt aus der Apotheke eines Pharmaunternehmens besorgen müsste. Ohne unabhängige Auskunft über die Eignung des Medikaments hilft ihm ein Beipackzettel nichts.
 
Mit einem sachlich richtigen Informationsblatt erfährt der Verbraucher zwar die wesentlichen Merkmale eines Finanzprodukts. Dann weiß er aber noch lange nicht, ob es sich für seine persönliche Situation bestmöglich eignet. Es bedarf also unabhängiger Berater, die den Markt kennen und aus den zahllosen Produkten mit ihren zahllosen Beipackzetteln die für den jeweiligen Anleger geeignetsten herausfiltern.
 

Verbraucherschutz per Gesetz
„Wenn dem Gesetzgeber der Verbraucherschutz im Finanzbereich ein ernstes Anliegen ist, dann geht er konform mit unserem Leitspruch ‚Echte Finanzberatung ist unabhängig, qualifiziert und nicht an einen Abschluss gebunden’, stellt Peter Edinger fest. „Es ist also höchste Zeit, das Berufsbild des unabhängigen Finanzberaters gesetzlich zu verankern, die unabhängige und abschlussoffene Finanzberatung zu einer Institution zu machen und sie, zumindest ab einem bestimmten Risiko, verbindlich vorzuschreiben.“
 
 
Über den Finanzplaner Deutschland e. V.
Der Verband wurde im Sommer 2008 gegründet. Bei den Gründern und Mitgliedern handelt es sich um „alte Hasen“, die zum großen Teil über mehr als 20 Jahre Berufs- und Verbandserfahrungen gesammelt haben.
 
Seine wichtigsten Ziele:
·        das Errichten des Berufsbildes eines unabhängigen Finanzberaters, der den Interessen seiner Mandanten verpflichtet ist und sie beim Umsetzen ihrer Ziele begleitet,
·        die politische Interessenvertretung der Mitglieder,
·        den hohen Qualifikationsstandard der Mitglieder durch Weiterbildungsangebote und Kooperationen zu sichern und zu fördern,
·        die Transparenz bei Finanzdienstleistungen und Finanzprodukten zu erhöhen.
 
Weitere Informationen finden Sie unter www.finanzplaner-deutschland.de
 
Kontakt / Pressekontakt
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Der Vorstand (inhaltlich verantwortlich gemäß § 6 MDStV):
Peter Edinger, Wolfgang M. Morlock, Ernst Rudolf, Yan C. Steinschen, Helmut Weigt